Genauigkeit vormetrischer Längeneinheiten

Vormetrische Längeneinheiten lassen sich durch Rechnung aus der Nippur-Elle (Code A1) ableiten (Ableitung). Die Ableitung durch Rechnung ändert die Abweichung vom Sollwert, den prozentualen ‚Fehler', nicht, mit der die jeweils abgeleitete Maßeinheit behaftet ist. Dieser ‚Fehler' ist so groß wie derjenige, mit dem die Nippur-Elle bekannt ist.

Wenn man die Länge der Nippur-Elle von dem Exemplar herleiten würde, das im Museum in Istanbul liegt, würde man Fehler übernehmen, die bei der Eichung des Exemplars gemacht worden sind. Da ist nicht nur der Fehler, mit dem die Länge der Elle aufgetragen ist, sondern da sind auch noch die Fehler, mit denen die anderen Einheiten wie etwa der Fuß oder die palma abgetragen sind. Selbst wenn man diese Fehler mitteln würde, ergäbe das keine optimale Länge.

Die Projektgruppe 'Maße - Musik - Mathematik'  MMM) im Arbeitskreis Archäometrie der Fachgruppe analytische Chemie in der Gesellschaft Deutscher Chemiker hat im Verlaufe vieler Jahre 872 Messskalen in Museen und in der Literatur gesammelt und identifiziert. Wenn man diese Skalen miteinander vergleichen will, muss man jeweils auf dieselbe Normlänge, etwa die Elle oder palma, besser aber den Fuß umrechnen, beispielsweise Ellen oder Doppelfuß in Fuß, und dann die unterschiedlichen Längen betrachten. Zweckmäßigerweise erstellt man dazu eine Häufigkeitsverteilungskurve ohne eine weitere Vorgabe als die, dass man die Fußlängen zu Klassen von 0,5 bis 0,3 mm Weite zusammenfasst. Diese Klassen werden so in eine Grafik eingetragen, dass man auf der Abszisse die Klassen, auf der Ordinate die Häufigkeit selbst, also die Stück (Anzahl) abträgt. So ergibt sich eine Gruppierung von vielen Treppenkurven. Jede einzelne Treppenkurve approximiert eine Gaußverteilungskurve. Die Maxima der vielen Gauß-Verteilungen fallen jeweils mit einer durch Rechnung erhaltenen Maßeinheit zusammen. Das ist der Beweis dafür, dass die rechnerischen Ableitungen richtig sind. Die durch die Gaußverteilung dargestellten Streuungen lassen sich als Variationskoeffizient beziffern. Der Variationskoeffizient ist die mit 100 multiplizierte und durch den Mittelwert der Verteilung dividierte Standardabweichung. (Zum Begriff der Standardabweichung vergl. evtl. Lexikon oder Lehrbuch der Statistik) Die beobachteten Variationskoeffizienten sind in der Regel kleiner als 0,2 %. Das bedeutet, dass die antiken/vormetrischen Längeneinheiten mit einer Genauigkeit von besser als 0,2 % über die Jahrtausende und die Tausende von Kilometern transportiert worden sind. Für jede Maßeinheit ist die aufgefundene Genauigkeit etwas anders, aber meistens unter 0,2 % Abweichung. Dazu die Tabelle der Mittelwerte der aufgefundenen Maßeinheiten.

 

A1

Nippur-Elle

518,90 +/- 0,911 mm

VK = 0,176%

n =19

A2

Erdfuß

230,10 +/- 0,679 mm

VK = 0,295%

n =7

A3

Baumaß

287,30 +/- 0,563 mm

VK = 0,196%

n =4

A4

Salamis-Elle

483,50 +/- 2,083 mm

VK = 0,431%

n =7

 

 

 

 

 

B1

Ägyptische Königselle

523,95 +/- 0,875 mm

VK = 0,167%

n =48

B2

Große ägypt. Königselle

529,00 +/- 0,662 mm

VK = 0,131%

n =20

B3

Vitasti

271,70 +/- 1,280 mm

VK = 0,472%

n =3

 

 

 

 

 

C

pes Romanus

296,13 +/- 0,500 mm

VK = 0,169%

n =58

 

 

 

 

 

D

Gudea-Fuß

265,10 +/- 0,576 mm

VK = 0,217%

n =7

 

 

 

 

 

E1

Große Ptolemäische Elle

533,30 +/- 0,725 mm

VK = 0,136%

n =29

E2

Großer Ptolemäischer Fuß

354,68 +/- 0,977 mm

VK = 0,276%

n =3

E3

Oskisch-umbrischer Fuß

275,70 +/- 0,412 mm

VK = 0,149%

n =4

 

 

 

 

 

F1

Punischer Fuß

94,02 +/- 0,400 mm

2VK  = 0,136%

n =46

F2

„Kompromiß"-Fuß

297,83 +/- 0,270 mm

VK = 0,091%

n =12

F3

Vindonissa-Fuß

292,38 +/- 0,470 mm

VK = 0,161%

n =30

 

 

 

 

 

G

pes Drusianus

333,40 +/- 0,163 mm

VK = 0,049%

n =3

 

 

 

 

 

H1

Attisch-olympischer Fuß

310,60 +/- 0,388 mm

VK = 0,125%

n =14

H2

„Äginetischer" Fuß

314,00 +/- 0,432 mm

 VK  = 0,138%

n =9

 

 

 

 

 

I1

Pied du Roi

324,20 +/- 0,811 mm

VK = 0,250%

n =8

I2

Samisch-ionischer Fuß

347,70 +/- 0,597 mm

 VK  = 0,172%

n =7

I3

Kleiner Ptolemäischer Fuß

308,57 +/- 0,500 mm

VK = 0,162%

n =13

I4

Milesischer Fuß

317,00 +/- 0,301 mm

VK = 0,095%

n =9

 

 

 

 

 

J1

„Neue" Elle/gemeingr. Fuß

316,10 +/- 0,323 mm

VK = 0,102%

n =11

J2

Maß von Abydos

319,30 +/- 0,125 mm

VK = 0,039%

n =3

J3

Byzantinischer Fuß

321,30 +/- 0,205 mm

VK = 0,064%

n =3

 

 

 

 

 

N1

?-Elle (Ägypten)

536,70 +/- 0,572 mm

VK = 0,106%

n =3

 

 

 

 

 

P

Pythischer Fuß

248,4

 

n =1

Da sich die einzelnen vormetrischen Längeneinheiten durch Rechnung aus der Nippur-Elle herleiten lassen, kann man von einer aufgefundenen und identifizierten Skala ausgehend sozusagen 'rückwärts', d.h. entgegen dem Verlauf ihrer Entstehungsgeschichte, die Länge der Nippur-Elle wieder errechnen. Beispielsweise kann man aus 50 Exemplaren des Römischen Fußes (Code C) durch Division mit 16 und Multiplikation mit 28 unmittelbar die Länge der Nippur-Elle erhalten.

Die so erhaltenen einzelnen Werte streuen um den Mittelwert in dem Maße, wie die aufgefundene Skala jeweils vom Bestwert entfernt ist. Aus dieser Gaußverteilung lassen sich wieder Mittelwert, Standardabweichung und Variationskoeffizient (VK) berechnen (Wissenschaftlicher Taschenrechner)

Längen aufgefundener Maßstäbe einer Längeneinheit streuen in den Sollwerten (Normalverteilung). Die Auswertung konkreter Maßstäbe ergibt jeweils  eine Stufenkurve um das Maximum.zum Vergrößern klicken Sie bitte auf die Abbildung

 

 

 

 

 

Aus den insgesamt gesammelten Maßskalen ergaben sich seinerzeit 440 Werte für die Nippur-Elle. Der Mittelwert dieser 440 Werte liegt bei 518,30 mm/Elle, der Variationskoeffizient der daraus erhältlichen Gaußkurve bei 0,168 %. Das ist die Genauigkeit, mit der bis zur Einführung des Meters die alten Maße tradiert wurden.

Führt man rechnerisch die Längen aufgefundener  Maßstäbe auf die Nippur-Elle (Urelle) zurück, so erhält man  auch hier eine (geglättete) Normalverteilungskurve.

 

Je mehr Exemplare aufgespürt werden können, desto sicherer und genauer liegt der Wert der (berechneten) Nippur-Elle fest: Der Vertrauensbereich engt sich zunehmend ein. Der Vertrauensbereich ist die Strecke, in der die genaue Länge der Nippur-Elle mit einer vorgegebenen Sicherheit (beispielsweise 95 %) gelegen hat. Er ist umgekehrt proportional der Wurzel der Anzahl der eingehenden Maßskalen. Bei den betrachteten 440 Skalen liegt der Vertrauensbereich bei +/- 0,042 mm. Dadurch, dass die Zahl der aufgefundenen Skalen sich auf über 872 mehr als verdoppelt hat, wurde diese Streuung nicht halbiert, sondern nur um 1/√2 verbessert. Der Vertrauensbereich ist also auf ca. +/- 0,04 % gesunken d.h. verbessert.

Das bedeutet, dass die Nippur-Elle so genau festliegt, dass erst die fünfte Stelle die unsichere ist. Dieser Wert ist eine reine Rechengröße. Es hat nie einen realen Maßstab mit dieser Genauigkeit gegeben. Er darf nur deshalb berechnet werden, weil a) die historische Entwicklung der vormetrischen Maßeinheiten abgeschlossen und b) der Englische Fuß ganz genau an das Meter gebunden ist, das ungleich genauer festliegt. Für die Praxis bedeutet das, dass es genügt, alle vormetrischen Längenmaße mit vier zählenden Stellen ohne eine +/- Angabe zu verwenden.

Es darf nicht vergessen werden, dass die Angabe, die Nippur-Elle sei 518,30 mm lang, genau genommen einen Proportionalitätsfaktor darstellt. Es sind richtig ausgedrückt 518,30 mm/Elle. Man kann zwar - und muss es bei metrologischen Untersuchungen - den digitus auf 4 Stellen genau angeben, aber kein Mensch der Antike war in der Lage, einen digitus so genau auszumessen. Vernachlässigt man aber die dritte oder vierte Stelle, dann kommt es bei der Multiplikation mit Zahlen der Art, dass der 10-Meter-Bereich erreicht wird, zu unerträglichen Fehlern.

Weil alle Maßeinheiten rechnerisch auf die Nippur-Elle zurückgeführt werden können und diese auf vier zählende Stellen genau festliegt, d.h. die fünfte ist die unsichere Stelle, können umgekehrt auch die anderen Maßeinheiten mit dieser Genauigkeit angegeben werden. Deshalb wird hier keine +/- Angabe gemacht. Es genügt, nur vier der hier angegebenen fünf Stellen zu benutzen.

 

Megalithisches Yard

Code MY

40 megal. inches

829,36 mm/Yard

 

 

 

 

Nippur-Elle

Code A1

30 digiti

518,35 mm/Elle

Erdfuß

Code A 2

10 unciae

230,38 mm/Fuß

Baumaß

Code A 3

16 digiti

287,97 mm/Fuß

Salamis-Elle

Code A 4

24 digiti

483,79 mm/Elle

 

 

 

 

Ägyptische Königselle

Code B 1

28 digiti

523,61 mm/Elle

Große Ägypt. Königselle

Code B 2

28 digiti

528,90 mm/Elle

Shaku

Code B 2

10 unciae

302,23 mm/Fuß

Vitasti

Code B 3

16 digiti

272,01 mm/Fuß

 

 

 

 

Röm. Fuß; pes monetalis

Code C

16 digiti

296,20 mm/Fuß

 

 

 

 

Gudea-Fuß real

Code D 1

16 digiti

264,6  mm/Fuß

Gudea-Fuß ideal

Code D 2

16 digiti

265,40 mm/Fuß

Philetärischer Fuß

Code D

20 digiti

331,25 mm/Fuß

 

 

 

 

Große Ptolemäische Elle

Code E 1

28 digiti

533,17 mm/Elle

Großer Ptolemäischer Fuß

Code E 2

16 digiti

355,45 mm/Fuß

Oskisch-umbrischer Fuß

Code E 3

16 digiti

275,63 mm/Fuß

 

 

 

 

Punischer Fuß

Code F 1

16 digiti

294,00 mm/Fuß

Kompromiß'-Fuß’

Code F 2

16 digiti

297,70 mm/Fuß

Vindonissa-Fuß

Code F 3

16 digiti

292,48 mm/Fuß

Drusian. /kret.-äginet. Fuß

Code G1

18 digiti

333,23 mm/Fuß

spätbyzantinischer Fuß

Code G2

16 digiti

312,38 mm/Fuß

 

 

 

 

Attisch-olympischer Fuß

Code H 1

16 digiti

311,01 mm/Fuß

'Äginetischer' Fuß

Code H 2

16 digiti

314,16 mm/Fuß

 

 

 

 

Pied de Roi

Code I 1

16 digiti

323,82 mm/Fuß

Samisch-ionischer Fuß

Code I 2

16 digiti

347,32 mm/Fuß

Kleiner Ptolemäischer Fuß

Code I 3

16 digiti

308,48 mm/Fuß

Milesischer Fuß

Code I 4

16 digiti

317,35 mm/Fuß

 

 

 

 

'Neue' Elle

Code J 1

28 digiti

526,79 mm/Fuß

Gemeingriechischer Fuß

Code J 1

16 digiti

316,08 mm/Fuß

Maß von Abydos

Code J 2

16 digiti

318,93 mm/Fuß

Byzantinischer Fuß

Code J 3

16 digiti

320,58 mm/Fuß

 

 

 

 

Indus-Fuß

Code K

16 digiti

345,57 mm/Fuß

 

 

 

 

Pythischer Fuß

Code P

16 digiti

248,81 mm/Fuß

 

 

 

 

Tschi ( China )

Code T

10 unciae

317,5  mm/Fuß

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

(Hier nicht aufgeführte Längeneinheiten wie der sogen. dorisch-phaidonische Fuß gibt es nicht. Der sogen. Benediktinische Werkschuh oder der sogen. Karolingische Fuß sind gleich dem Drusianischen Fuß, Code G1)

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Stand Januar 2006