Alte Maßstäbe

Die beste Quelle für die Länge vormetrischer Maßeinheiten sind vormetrische Maßstäbe. Zu den eigentlich als Maßstab intendierten Gegenständen kommen noch andere Objekte hinzu: Die Skalen der sogenannten Laufgewichtswaagen oder Schnellwaagen, wie sie seit der Antike auf den Märkten gebraucht wurden, haben keine eigens dafür erfundenen Maßeinheiten, sondern gehen von existenten Maßeinheiten aus, weil sich dann die Berechnung von Lastarm, Kraftarm und zugehörigem Gewicht bedeutend einfacher gestaltet. Allerdings sind die Unterteilungen bisweilen anders und ungewöhnlich. (Literatur) Seit der Antike werden auf Unterlagen aus Stein Abstandskerbungen angebracht, um so die Länge von Elle oder Fuß anzugeben. Dabei sind die Enden des Maßstabs nicht wie ein Pfeil, sondern genau andersherum gestaltet:
 
Auf diese Weise lässt sich die Gesamtlänge besonders gut mit einer Schnur abgreifen. Bei eisernen oder auch bronzenen Maßstäben an mittelalterlichen Märkten, Rathäusern und Kirchen sind die Enden zu diesem Zweck nach oben gebogen. Die feinere Unterteilung erhält man dadurch, dass man die abgegriffene Länge durch Zusammenfalten immer wieder halbiert. So gelangt man durch viermaliges Zusammenlegen vom Fuß zur Länge des digitus. Das ist der Grund, warum der Fuß zu 16 digiti so weit verbreitet war, die Elle zu anderthalb Fuß gerechnet wurde. Oft ist der Fuß auch selbst als vertieftes Relief in Stein gearbeitet. Auch so kann man die Schnur von der Ferse bis zum Zeh spannen. Das geht nicht bei einem Flachrelief. Der Fuß lässt sich auf diese Weise nicht bis zur Unze unterteilen, sondern nur bis zur palma. Allerdings lässt sich nach Augenmaß eine kleine Strecke auch noch ganz gut dritteln, weil man korrigieren kann (vergl. unsere querformatigen Briefumschläge), wodurch dann die Unze erhalten wird.

Der einflussreiche Architekt und Archäologe A. v. GERKAN hat 1940 die Auswertung vormetrischer Maßstäbe in Misskredit gebracht, indem er behauptete, antike Maßstäbe seien weder hinreichend genau gefertigt noch überliefert noch heute nachmessbar. Den Beweis für seine Behauptung ist er schuldig geblieben. Die Forschung hat demgegenüber gezeigt, dass die Genauigkeit vormetrischer Maßstäbe bei +/- 0,2 % liegt. Selbst die Darstellungen von Maßstäben auf antiken Grabsteinen und die Schneiderellen der letzten Jahrhunderte sind bei statistischer Auswertung von dieser Feststellung nicht ausgenommen.

 

vorige Seite   zum Inhaltsverzeichnis     nächste Seite

 

© R. C. A. Rottländer, r.c.a.rottlaender@netcologne.de

Stand Januar 2006